Diese Kurzgeschichte ist eine Persiflage auf die ersten drei Tage im Paradies aus drei verschiedenen Perspektiven.Danke an Petra Baar und Jana Beyer für die Koproduktion.

Fehlstart ins Paradies

Heidi Metzmeier Icon

Diese Kurzgeschichte ist eine Koproduktion zwischen mir und den talentierten Kolleginnen vom Autorengezumpel Petra Baar und Jana Beyer, die ihr auf Instagram findet als @piet_zeichnet_wortwelten und @janahoffnung. Für die Wintergeschichte 2024 haben wir uns etwas Neues ausgedacht. Eine Erzählung aus der Sicht dreier Protagonisten. Darin wird es biblisch. Bei diesem Spaß ist – wie von uns nicht anders zu erwarten – eine Persiflage herausgekommen. Viel Freude damit!

Teil 1 (Heidi) – Ädäm

„Es ist so arschkalt nur im Feigenblatt. Das mit dem Paradies auf Erden hat sich das große G ja schon gut ausgedacht, aber hätte der Beginn nicht im Sommer sein können?“ Ädäm rückt sein Feigenblatt zurecht und stapft weiter durch den Schnee in Richtung Hütte, die er für sich und Evi in Windeseile zusammengezimmert hat.
Das war auch so ein Ding. Von wegen eine Gefährtin nach seinem Abbild! Die Stelle in seinem Körper an dem ihm die Rippe fehlt schmerzt immer noch. Instinktiv reibt er sich über den Brustkorb. Ein Hingucker ist sie ja schon seine Evi, aber irgendwie mit nix zufrieden. Neulich faselte sie etwas von einem Apfel der Erkenntnis. Da war bei ihm unmittelbar Panik aufgekommen. Hatte das große G nicht gesagt „Finger weg von sprechenden Äpfeln“.
(Das würde der Menschheit Jahrtausende später wieder zum Verhängnis werden, aber das ist eine andere Geschichte…)

Als er bei der Hütte ankommt stellt er als erstes fest, dass es aus dem Schornstein nicht raucht. Die Liebste hat also das Feuer ausgehen lassen. Missmutig betritt er die paradiesische Einraumwohnung und sieht, dass Evi zu Hause ist.
„Na, hast du Glück gehabt bei deinem Streifzug durch die Umgebung? Wenn wir nicht bald etwas essbares auftreiben, wird es eng um die Taille“, sagt er.
„Ich habe Kräuter gefunden und noch was anderes. Daher war ich auch zu spät für das Feuer“, gibt Evi zurück.
Ädäms Neugier ist entfacht. Evi nickt mit dem Kopf in Richtung der dunkelsten Ecke im Raum. Dort liegt, ziemlich steif und apathisch, eine Schlange.
Ädäm wird ganz warm ums Herz. Was für ein entzückendes Wesen. Ihre Zeichnung ist so filigran, ihr Körperbau so grazil. Als er sich ihr nähert, um sie zu beriechen und zu betasten, hört er eine leise Stimme. Er hält sein Ohr ganz nah an das Maul der Schlange und hört sie sagen: „Ich belohne dich reich, wenn du mich dahin zurückbringst wo ich herkomme. Diese Frau ist nicht gut für dich, mich oder das Paradies.“
Ädäm ist perplex. Er sieht augenblicklich zu Evi hinüber, die versonnen in einem Sud aus Kräutern rührt, den sie vor Tagen angesetzt hat. Seine Evi kreist oft um sich selbst, aber sie ist nicht feindselig. Die Schlange täuscht sich, ist Ädäm sich sicher.
„Hier hast du es wenigstens warm“, sagt er deshalb laut, bevor ihm klar wird, dass nicht nur die Schlange, sondern auch Evi ihn hören kann.
„Was heißt hier warm“, faucht seine modellierte Rippe, die seine Bemerkung auf sich bezieht. „Was molliges zum anziehen könnte ich gut gebrauchen, vielleicht aus Schlangenhaut.“ Bei diesen Worten schaut sie die Python aus zusammengekniffenen Augen an. „Abgesehen davon brauche ich dringend etwas auf die Hüften, wenn das Paradies nicht schon nach der ersten Generation vorbei sein soll“, legt sie nach. 

Ädäm ist augenblicklich schwindelig. Er muss das Paradies retten, ohne die Zukunft der Menschheit aufs Spiel zu setzen. Mit dieser Aufgabe ist er überfordert. Die Schlange kommt ihm schließlich zu Hilfe. Sie richtet sich auf, faucht feuerspeiend in Richtung Evi und als diese schreiend zurückweicht, öffnet Ädäm die Tür und lässt das Tier hinaus.
Bevor er recht weiß, was ihn ermittelt, trifft eine Faust ihn mitten ins Gesicht. Das letzte was er wahrnimmt, bevor ihm die Sinne schwinden, ist Evis Monolog: „Paradies, dass ich nicht lache! Alles muss man selber machen. Der Typ ist doch zu nichts zu gebrauchen. Jetzt kann ich das blöde Luder wieder einfangen. Wenn mir das große G das nächste Mal einen Job anbietet, lese ich die Beschreibung genau, bevor ich unterschreibe.“

Teil 2 (Petra) – Evi

Es ist so arschkalt nur im Feigenblatt. Das mit dem Paradies auf Erden hat sich das große G ja schon gut ausgedacht, aber hätte der Beginn nicht im Sommer sein können? Evi rückt ihre Feigenblätter zurecht und versucht mit zwei kleinen Feuersteinen die erloschene Glut der Kochstelle wieder zum Leben zu erwecken. Zwar hat Ädäm in Windeseile eine Bambushütte samt Kochinsel für sie beide gebaut, jedoch zieht es hier an allen Ecken und Kanten. Der feine Schnee, der in den letzten Tagen gefallen ist, rieselt durch jede Ritze ihrer Behausung. Toll gemacht, Ädäm – oder eben nicht!

Ädäm ….
Evi atmet scharf durch die Nase ein.
Dieser Typ schafft es nicht einmal, eine Achatinidae in ihrer Ruhephase zu erlegen. Und sein ständiges Geschwafel über „lass uns doch mal über vegane Küche nachdenken“, lässt ihr die Fußnägel hochklappen.
Überhaupt geht ihr die festgelegte Arbeitsteilung unter ihnen beiden mächtig auf die Nerven. Obwohl sie diesen ganzen Paradieso-Kram gleichberechtigt gestartet haben, wird ihr plötzlich eine Rolle zugewiesen, die so überhaupt nicht nach ihrem Geschmack ist. Ständig muss sie in Töpfen rühren oder Kräuter sammeln. Viel lieber würde sie auf die Jagd gehen, damit endlich mal ein vernünftiges Stück Fleisch auf den Tisch käme, anstatt ständig Kräutersuppe und Pilzauflauf zubereiten zu müssen.
Doch damit ist jetzt Schluss! Ein für alle Mal!
Ihr Blick wandert in die dunkle Zimmerecke der Einraumwohnung und ein Lächeln huscht über Evis Gesicht. Fest zusammengerollt liegt dort ihr zukünftiges Schlangengulasch und Beinkleid – eine Python, die von der Kälte ganz schläfrig geworden ist.

In diesem Moment betritt Ädäm die Hütte. Evi bemerkt, ohne ihn anzuschauen, dass er verärgert ist.
„Und? Hast du Glück gehabt bei deinem Streifzug durch die Umgebung? Wenn wir nicht bald etwas Essbares auftreiben, wird es eng um die Taille“, brummelt er muffelig.
Evi runzelt die Stirn.
Eigentlich könnte sie ihn dasselbe fragen – was hat er denn zu futtern mitgebracht? Nix! Wahrscheinlich hat er wieder erfolglos Beeren gesammelt. Bären wären ihr ohnehin lieber, aber Ädäm will davon nichts wissen.
„Ich habe Kräuter gefunden und noch was anderes. Daher war ich auch zu spät fürs Feuer.“ Evi deutet Richtung Schlangenecke und beginnt in ihrem Töpfchen mit Kräutersud zu rühren, um seinem vorwurfsvollen Blick auszuweichen. War ja klar, dass Ädäm von der Schlangenidee nichts halten würde.

„Jetzt sei mal nicht so negativ. Hier hast du es wenigstens warm“, hört sie Ädäm noch sagen, bevor bei ihr die Sicherungen durchbrennen. Geht’s noch? Sie soll nicht negativ sein? Es ist hier warm?
Evis zarte Hände beginnen sich zu kleinen Fäusten zu ballen, während das Adrenalin durch ihren Körper schießt und sich eine heiße Wutwelle von den Zehen- bis zu den Haarspitzen ausbreitet.
Im Nachhinein weiß sie nicht mehr, welche Worte sie ihm in ihrem Tobsuchtsanfall an den Kopf geschmissen hat. Doch als er diesem Mistvieh von Python auch noch zur Flucht verhilft, lösen sich Evis letzte angestaute Emotionen in einen einzigen Faustschlag, der Ädäm sogleich wie einen Stein zu Boden fallen lässt. Rums! Den tagelang angesetzten Kräutersud reißt er dabei auch noch mit sich.
Schöne Bescherung!

Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, prescht Evi wutschnaubend aus der paradiesischen Hütte und hätte am liebsten die Tür hinter sich laut zugeknallt. Doch leider besteht diese lediglich aus wabbeligen Bananenblättern und schließt sich daher völlig geräusch- und effektlos.
Die Schlange würde ihr nicht entwischen und danach würde sie hier andere Seiten aufziehen. Das steht fest!

Wenige Augenblicke später kommt Ädäm in der Hütte wieder zu sich und richtet sich vorsichtig auf. Donnerschlag, seine Evi hat einen Fausthieb, der jeden Profiboxer blass werden lässt (wenn es denn Boxer geben würde). Fast ein wenig stolz reibt er sich sein schmerzendes Kinn. Seine Evi … vielleicht kann er sie mit einer süßen Nachspeise etwas besänftigen. Obstsalat – das wäre doch was.

Mit spitzen Fingern nimmt er einige gammelige Weintrauben aus einem Flechtkorb und probiert sie vorsichtig. Mhm,… überraschend lecker – er würde sich einen eigenen Namen dafür überlegen. Vielleicht Rosinen oder Rosininnen? Aber würde sich Evi aufregen, wenn er vertrocknete Weintrauben Rosininnen nennt? Er beschließt darüber noch etwas nachzudenken und sich auf den Salat zu konzentrieren.
Erstaunt entdeckt er neben ein paar Nüssen noch einen wunderschönen und rotbackigen Apfel im Obstkorb. Wo hat Evi denn dieses Prachtexemplar gefunden? Er schnuppert daran, und sofort verteilen die kleinen Drüsen in seiner Mundschleimhaut Massen von Flüssigkeit, die in feinen Bächen in seinem Mund zusammenfließt. Der süße Apfelduft bezaubert seine Sinne und er kann nicht widerstehen – er beißt herzhaft hinein …

Teil 3 (Jana) – Das große G

Ein leichter Wind weht durch die Zeit. Es ist ein bisschen frisch. „Aber keineswegs arschkalt, wie ihr jammert!“, schmettert das große G in Richtung Eden.
Es sitzt am Rand des Universums, baumelt ein wenig mit den Beinen und schaut nach unten.
Inmitten des zauberhaften Paradieses steht ein Häuschen. Okay, eine Art Hütte. Diese hätte eher den Namen „Kunstwerk im Stil von Picasso nach einem Unfall mit dem Hammer“ verdient. Ach nein. Picasso wird ja erst in ein paar Millionen Jahren geboren.

„Naja. Was erwarte ich eigentlich? Habe ihn ja nur aus Staub gemacht. Aus Dreck. Woher soll da Substanz, Hirn kommen?“ Das große G seufzt tief. Dann schiebt es vorsichtig ein Stück des Hüttendaches zur Seite.
Es duftet verführerisch nach würzigen Kräutern. Also, da hat es sich am dritten Tag ja wirklich selbst übertroffen. Sein Magen knurrt. Ihm läuft das Wasser im Mund zusammen.
Plötzlich dringt ein furchtbares Gekeife an sein Ohr. Also das ist doch…! Dem großen G bleibt der Mund offen stehen. Die beiden Menschen da unten zetern, was das Zeug hält. Sie sind kurz davor sich gegenseitig die Augen auszukratzen. Nun ja, zumindest könnten sie dann nicht mehr feststellen, daß sie beide nackt sind. Diese seltsamen Feigenblätter, die Evi und Ädäm benutzen, sind ja wirklich zu albern. Bei den Millionen Pflanzen, die es geschaffen hat, wird es ja wohl was Besseres geben.

Zwischen Feuerstelle und Kräutertopf streitet sich sein „Werk“ da unten in der Hütte frischfröhlich weiter. Evi mault, dass sie Fleisch will und nichts anzuziehen hat; dass sie jagen will und ihr kalt ist. Ädäm motzt herum, weil vegetarisch doch besser ist und das seine Frau es eigentlich richtig gut hat und …
Das große G rauft sich die Haare. „Was habe ich da nur getan?“
Plötzlich bricht Ädäm theatralisch zusammen und hält sich – am Boden liegend – die Stelle an seinem Brustkorb, an der das große G die Rippe für Evi entnommen hat. Das große G verdreht – leicht genervt – die Augen: „Männer!“

Just in diesem Moment sieht es die Schlange in der Ecke. Mit einem Schrei des Entsetzens sinkt es in tiefe Bewusstlosigkeit. Und fällt dabei vom Rand des Universum in die Finsternis der Zeit.
Damit beginnt das Unglück der Menschheit.

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An dieser Stelle endet unsere kleine Wintererzählung.
Natürlich wäre es ein leichtes, Ädäm und Evi unseren kompletten Weltschmerz in die Schuhe zu schieben.
Aber vielleicht sollten wir erst einmal in unseren eigenen Kräuterpöttchen rühren.
Passt gut aufeinander auf …

Wenn euch unsere Geschichte gefallen hat, dann muss euer Lesevergnügen hier nicht zu Ende sein. Petra und ich haben beispielsweise beide Kurzgeschichten zur Anthologie „Sommerregentänze“ der Cinnamon Society beigetragen. Mir deren Erwerb tut ihr sogar noch etwas Gutes. 

Besondere Aufmerksamkeit verdient auch Petras Kinderbuch Albert und Mimi  das sie zusammen mit Helga Hirsch geschrieben hat. Dieses hat sogar einen eigenen Instagram-Account.

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