Heidi am Schreibtisch

6 Dinge, die ich mir nicht mehr antue

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Der Wecker klingelt und noch bevor ich die Augen aufschlage, rattert mein Hirn einem Uhrwerk gleich los: „Welche Termine stehen heute an? Worauf muss ich mich vorbereiten? Was darf ich auf keinen Fall vergessen? Mit wem muss ich mich abstimmen?“ Dazwischen huscht ein Gedanke, eine kreative Idee die mein Unterbewusstes im Schlaf produziert hat. Schnell aufschreiben, sonst ist sie wieder weg! Beim Frühstück scrolle ich durch die Headlines der wichtigsten Medien und checke meine Mails. Kurz darauf – ich bin gerade im Bad – klingelt der Postbote. Noch mit der Zahnbürste im Mund sprinte ich zum Türöffner und stolpere dabei über den Hund. Bruno hat einen siebten Sinn für Tage an denen ich das Haus verlasse – dann legt er sich im wahrsten Sinne des Wortes quer. Leicht gequält schlüpfe ich ins schicke Schuhwerk und steuere mein Auto sehenden Auges in den Stau auf der A5.

Kommt dir das bekannt vor? Auch wenn wir in jüngster Zeit nicht im Stau, sondern im Home-Office enden, wo wir für Stunden über Zoom ein Dauerlächeln aufsetzen und vor dem Rechner den Wirbelsäulenschaden zementieren. Ich wage die Prognose,  dass die meisten von uns Routinen etabliert haben, die wir wenig hinterfragen, die uns bei genauer Betrachtung aber gar nicht gut tun.

Als mir klar wurde, wie toxisch viele meiner Verhaltensweisen für meine Tagesform – und übrigens auch für meine kreative Schreibenergie – sind, habe ich bewusst mit Veränderung begonnen. Ich bin in einem Transformationsprozess der positive Effekte zeigt, was mich ermutigt, dies heute mit dir lieber LeserIn zu teilen.

Hier also die 6 Dinge, die ich mir nicht mehr antue – und meine Alternativen:

I. Der Sprint in den Arbeitstag

Es erschien mir die längste Zeit praktisch, dass mein Kopf sofort im Arbeitsmodus ist, sobald ich die Augen aufschlage. Nicht selten hieß dies sogar: „Der erste Weg führt vom Bett an den Schreibtisch.“ Dies hat allerdings von vorne herein verhindert, dass ich im hier und jetzt ankam. Ich nahm weder wahr wie sich mein Körper beim Aufwachen fühlte, noch was um mich herum vorging.

Wo zwickt es? Würde ein Strecken und Räkeln mir jetzt gut tun? Wie ist das Wetter vor dem Fenster? Das sind Fragen die ich mir jetzt als Erstes stelle. Und wenn ich schon darüber nachdenken muss wen ich heute sehe, dann verknüpfe ich das mit der Überlegung, wie ich positiv in dieses Treffen gehen kann.

Ich stehe inzwischen freiwillig 30 Minuten früher auf, um vor dem Frühstück Yoga-Übungen oder eine Meditation zu machen. Die Ruhe die sich dabei in mir ausbreitet nehme ich mit in den Tag. Das wirkt sich nicht nur auf mich aus, sondern überträgt sich auch auf Menschen, mit denen ich zusammentreffe.

Ich habe also immer noch eine Morgenroutine, diese sieht allerdings deutlich anders aus. Sie setzt auf Körperbewusstsein, positive Grundeinstellung und Konzentration auf das was gerade ansteht, statt mit dem Kopf permanent in der ungewissen Zukunft zu sein.

II. Der Knebel der Verkleidung

Hast du auch schon einmal gedacht, dass du für deinen Job in eine Art Verkleidung schlüpfst? Das kann hilfreich sein, denn das Äußere unterstreicht unsere Rolle, die wir annehmen, wenn wir auf Business-Modus umschalten. „Kleider machen Leute“ gilt eben besonders im Job. Was aber, wenn die Verkleidung zur Tortur wird?

Ich bin einmal auf dem Weg zu einer Pressekonferenz mit spitzen Absätzen im Gitterrost eines Eingangsportals hängengeblieben und habe damit nicht nur einen „Stau der Mächtigen“ provoziert, sondern mir auch – beim Versuch die peinliche Situation mit wildem Aktionismus zu beenden – besagten Absatz abgerissen. Das Humpeln danach hatte nur wenig damenhaftes.

Hochhackige Schuhe mögen eine tolle Wade formen und mich 8 cm größer machen, aber wenn ich mich darin nicht wohl fühle, wirkt sich das auf meine Körpersprache aus. Diese kommt beim Gegenüber an, noch bevor ich den Mund aufmache. Heute bewege ich mich auf bequemen flachen Schuhen. Ich bin darin nicht weniger souverän und mein Orthopäde ist begeistert.

Ich habe in einer längeren Übergangsphase meine Garderobe einem „Bequemlichkeitscheck“ unterzogen. Dem sind etliche sehr elegante, aber zwickende Kleidungsstücke zum Opfer gefallen, als mir klar wurde:

Wer nicht vernünftig Luft holen kann, dem fehlt auch der lange Atem, um die eigenen Argumente schlüssig vorzutragen.

Und schließlich nehme ich mir inzwischen die Freiheit den „grau-schwarz-weiß“-Duktus zu durchbrechen. Ich war schon immer eine Liebhaberin der Farbe „bunt“. Das hat mir zwar gelegentlich den Ruf des „Buntspechts“ (Anspielung auf meinen Mädchennamen ;o) eingebracht, aber damit bin ich wenigstens unverwechselbar.

III. Die Pein vermeidbarer Zeitfresser

Weil es immer mehr Aufgaben gibt als der Tag Stunden hat, wird Priorisierung zur Königsdisziplin. Ich verabschiede mich nach und nach von Zeitfressern, bei denen ich gequält auf die Uhr schaue und hoffe, dass es bald vorbei ist. Ich sitze in einer online-Fortbildung von der ich mir etwas anderes erhofft hatte? Dann schalte ich ab. Eine Besprechung droht sich endlos hinzuziehen? Dann frage ich höflich, ob ich noch gebraucht werde und ziehe mich bei erster Gelegenheit zurück. Zeitfresser zu eliminieren halte ich nicht nur für fair anderen gegenüber, es macht mich selbst auch glücklicher, weil ich im gewonnenen Freiraum ein von mir angestrebtes Ergebnis erzielen kann. 

IV. Der Kalender als Folterinstrument

Es ist in meinen Augen ein Missverständnis, dass Selbstständigkeit gerne mit dem Wortspiel selbst und ständig beschrieben wird. Das ist eine Haltung die wir – wenn wir dauerhaft durchhalten wollen – nicht von außen übernehmen sollten. Dazu braucht es Disziplin und einen Kalender, der uns Lust auf den Tag macht.

Ich habe mir angewöhnt „Me-Time“ in meinen Kalender zu integrieren, damit der Chat mit der Freundin, der Sport oder einfach mit einer Tasse Tee auf den Balkon hinauszutreten auch in stressigen Phasen möglich ist. Wenn Zeiten für Besorgungen oder Arztbesuche wie selbstverständlich im Kalender integriert sind, hinterfragt man sie nicht mehr. Das setzt allerdings voraus, dass ich sie nicht bereitwillig der nächsten Gelegenheit opfere.

Gleiches gilt übrigens für die Mittagspause. Ein guter Moment, um einmal wieder zu überprüfen, wie sich mein Körper fühlt und was er braucht. Vielleicht ist neben dem Snack auch ein bisschen frische Luft angesagt.

Und schließlich blockiere ich mir „Kreativzeiten“, zu Tageszeiten in denen mein System auf vollen Touren läuft, für konzentriertes Arbeiten und insbesondere kreatives Schreiben.

V. Permanente Erreichbarkeit

Im internationalen Geschäft ist immer irgendwo Tag, so dass Mails 24/7 hereinkommen. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich mit so mancher aus der Hüfte geschossenen Antworten zu nachtschlafender Zeit mehr Porzellan zerschlagen, als Probleme gelöst.

So gesellt sich zu meiner Morgenroutine inzwischen eine Abendroutine. Zu dieser gehört es, die Funktion meines Mobiltelefons zu nutzen, mit der ich jede Form der Benachrichtigung abschalten kann. Zwischen 21 und 8 Uhr ist Ruhe: Keine Anrufe und keine Töne bei Maileingang oder Social Media-Aktivitäten. Zugegeben, an manchen Tagen muss ich mich dazu zwingen, nicht trotzdem einen Blick auf das Display zu werfen. Trotzdem ist die Funktion ungemein hilfreich. Räumliche Distanz tut ein Übriges: Das Mobiltelefon hat Schlafzimmerverbot.

Ich beende meine Tage gerne mit Journaling. Dazu habe ich einen Jahreskalender in den ich wenige Zeilen für jedes Datum eintragen kann. Ich bemühe mich dabei die positiven Ereignisse des Tages hervorzuheben und Aspekte zu finden, für die ich dankbar bin. Das bringt mich in eine positive Grundstimmung für die Nacht.

Für den Fall, dass mein unruhiger Geist vor dem Einschlafen noch Ideen produziert, habe ich einen Notizblock auf dem Nachttisch. Ein Stichwort muss genügen. Damit ist der Gedanke für den nächsten Tag „geparkt“ und ich kann ihn loslassen.

Als letzte Übung vor dem Schlafengehen mache ich den „Bodyscan“. Das ist eine Yoga-Übung bei der man im Geiste alle Körperteile abtastet, ohne die Befindlichkeiten darin zu bewerten. Ich komme inzwischen nicht einmal bis zum Bauchnabel, dann bin ich schon in die Traumwelten abgetaucht. Alleine der Beginn der Übung scheint meinem Gehirn zu signalisieren, dass Schlaf erwünscht ist.

VI. Konfrontative Kommunikation

Jeder hat schon einmal eine Gesprächssituationen erlebt, in der er sich unterlegen, missverstanden, hilflos oder gar misshandelt gefühlt hat. Mein „Tiefpunkt“ in diesem Zusammenhang war ein Telefonat mit einer Dame, die den Versuch meine Expertise in ihr Projekt einzubringen klar als Angriff auf ihre Kompetenz interpretierte. Das hast sie so in Rage gebracht, dass sie ihre Argumente nur noch schreiend hervorbringen konnte. Ich habe ihr erklärt, dass sie mich gerne wieder anrufen kann, wenn sie sich beruhigt hat – und habe aufgelegt. Distanz ist ein legitimer Weg, um sich aus einer unangenehmen Gesprächssituationen zu befreien. Die Frage ist, hätte es überhaupt so weit kommen müssen?

Ein altes Sprichwort sagt, „wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus.“ Ich habe lange gebraucht, um die Bedeutung dieser Weisheit wirklich zu verstehen. Meine Gesprächspartner spiegeln mein Verhalten! Es kommt also ganz auf die innere Einstellung an, mit der ich in eine Unterhaltung gehe. Das fällt uns natürlich besonders leicht bei Menschen, die uns sympathisch sind, mit denen wir gerne zusammenarbeiten, die hilfsbereit und auskunftswillig sind. Um von der Einsicht zu profitieren, ist es also sehr viel hilfreicher, sich auf Gespräche positiv einzustimmen, die einen ungewissen Ausgang erahnen lassen, oder vor denen wir uns gar fürchten, weil uns das Gegenüber Angst einflößt. Solche Gespräche brauchen Vorbereitung.

Kommunikation ist eine Kunst, die man trainieren kann. Sie beginnt im Kopf, mit einem positiven Mindset.

Wenn ich mir meinen Gesprächspartner in einer positiven Lebenssituation vorstelle, dann macht das etwas mit meiner inneren Einstellung. Die Neurowissenschaft kann sogar mit Studien belegen, dass bei jedem Zusammentreffen in unserem Gehirn eine Kaskade unbewusster Reaktionen abläuft. Dahinter steht der Versuch einzuordnen wie das Gegenüber gerade drauf ist, was für Absichten es hat, welche Ziele es verfolgt. Wenn ich mir die Zeit nehme diese Unterredung nicht nur inhaltlich, sondern auch emotional zu planen, dann kann ich die Kaskade bei meinem Gegenüber beeinflussen. Die Visualisierung des freundlichen Ablaufs eines Dialogs vor dem Zusammentreffen wirkt sich auf beide Gesprächspartner aus und bereitet den Boden für eine gute Gesprächsatmosphäre. So werde ich zum Beispiel nicht mehr als überrumpelnd, brüsk oder dogmatisch wahrgenommen, sondern als konsensorientiert und empathisch.

Das positive Mindset ist die Eintrittskarte zu guter Kommunikation.  Einfühlungsvermögen erhält sie aufrecht. Wichtig ist, dass ich sowohl meine eigene, als auch die Situation des anderen im Blick behalte. Wir haben alle die gleichen Bedürfnisse: Wir wünschen uns eine gute Lebensqualität und wollen gesehen werden. Dies zu respektieren ist ein wichtiger Schlüssel, wenn es darum geht, mit Kommunikation etwas zu erreichen.

Die Lehre der gewaltfreien Kommunikation wurde entwickelt, um uns die Möglichkeit zu geben, aus gewohnheitsmäßiger, automatischer, lebensentfremdender Kommunikation wieder einen Prozess mit bewussten Antworten zu machen, der von respektvoller Aufmerksamkeit und Ehrlichkeit geleitet ist. Dabei kommt es darauf an unsere Ausdrucksweise und unser Zuhören durch die Fokussierung unseres Bewusstseins umzugestalten. Der „Vater der GFK“, Marshall B. Rosenberg, hat seinen Ansatz in 4 Schritte unterteilt, die uns auch dabei helfen Konflikte zu lösen: Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten.  Sein Standardwerk „Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens“ geht auf alle 4 Bereiche im Detail ein und arbeitet mit vielen Beispielen.

Das waren also meine 6 Dinge, die ich mir nicht mehr antue. Hast du vielleicht eine Positivliste, wie du gut durch den Tag kommst? Erzähl mir gerne davon. Ich freue mich immer über Mailzuschriften!

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