Gedankenspiele zum Tag der Deutschen Einheit

Heidi Metzmeier Icon

Am 9. November 2024 werden wir 35. Jahre Mauerfall feiern, ein politisches Wunder, an das in meiner Jugend noch niemand geglaubt hat. Zum Tag der Deutschen Einheit frage ich mich jedoch, was von der Aufbruchstimmung und dem Freudentaumel übrig geblieben ist. Die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen legen nahe, dass es uns bisher nicht gelungen ist, zusammenzuwachsen. Die Kluft – so befürchte ich – droht sich vielmehr zerstörerisch auf unsere Demokratie auszuwirken, was mich dazu veranlasst, meine Gedanken zum Demokratiebegriff  hier festzuhalten.

Demokratie ist nicht selbstverständlich

Die Errungenschaften die damit einhergehen sind über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, von mutigen Menschen erstritten worden:

  • Die Mitbestimmung der Bürger in Form freier Wahlen und darüber hinaus die Möglichkeit sich mit eigenem eigenen Programm zu engagieren, wenn es Mehrheiten dafür gibt.
  • Das Recht der freien Meinungsäußerung einschließlich Pressefreiheit.
  • Eine unabhängige Justiz und die Garantie von Grundrechten.
  • Der Schutz der Schwächsten und von Minderheiten.
  • Das Ausleben meiner persönlichen Freiheit, ohne die Rechte anderer zu verletzen.
  • Eine Diskussionskultur ohne Hate Speech.
  • Auch und gerade in schwierigen Zeiten füreinander einzustehen und dabei unter dem besonderen Schutz eines liberalen aber starken Staates zu stehen.

Es ist meine tiefe Überzeugung, dass die wichtigsten Eckpfeiler in Deutschland gegeben sind, auch wenn es Menschen gibt, die das inzwischen bezweifeln und Diktatur schreien. Mir geht aber durchaus unter die Haut, dass wir drohen Minderheiten auszugrenzen, die sozial Schwächsten abzuhängen, den Charakter der Solidargemeinschaft unserem Individualismus immer mehr zu opfern und eine Diskussionskultur miteinander zu pflegen, die den Begriff „Kultur“ nicht mehr verdient hat.

Demokratie ist nichts für Anfänger

Sie lebt von einer offenen Debattenkultur, in der man streitet, auch mal auf die Straße geht, aber am Ende friedlich bleibt, weil es um die Sache geht. Das will geübt werden. Wir sind (auch nach dem jüngsten Ost-West-Bericht) ein geteiltes Land. Im Westen hatten wir einige Jahrzehnte Zeit, uns an das Gedankengut zu gewöhnen. Im Osten unseres Landes haben die Menschen vor nicht all zu langer Zeit sehr darum gerungen, ein System abzuschaffen, das ihre demokratischen Rechte extrem eingeschränkt hat. Es wird Zeit an einer gemeinsamen Zukunft zu bauen, in der wir alle ohne Ängste leben können. Dazu gehört für mich:

  • Die grenzenlose Emotionalisierung wichtiger Themen (wie etwa Klimawandel, Migration und die Modernisierung des Staates) zu überwinden, damit Fronten abgebaut werden und wir einander wieder zuhören können.
  • Den Neid auf andere abzulegen, die vermeintlich mehr haben, oder in den Genuss staatlicher Unterstützung kommen. 
  • Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, sei es im Bezug auf den Klimaschutz, beim Völkerrecht, bei den Berufsschancen oder bei der Ausübung unseres Privilegs der freien Wahlen. Nie wieder ist jetzt!
  • Und schließlich: Anfeindungen egal ob im Netz, gegenüber Menschen die anders sind als das was wir als Norm empfinden, oder auch gegenüber Politikern entschieden entgegenzutreten.

Demokratie lebt vom Mitmachen

Die Gründerväter unseres Staates hätten sich nie träumen lassen, dass wir die Demokratie aus purem Egoismus aufs Spiel setzen. Leider gibt es offenbar immer noch nicht genug Erfahrungen in der Bevölkerung hierzulande, wie es in Staaten zugeht, die wirklich keine demokratischen Rechte haben. 

  • In denen du für deine kritische Berichterstattung in den Medien eingesperrt wirst
  • In denen du deiner Würde beraubt bist, nur weil du als Frau geboren wurdest
  • In denen Willkür und Gewalt herrschen, weil einer sich bereichernden Elite egal ist, wie es der Bevölkerung geht.

Lasst uns nochmal darüber nachdenken ob der grenzenlose Individualismus den wir zum Prinzip erhoben haben uns schützen kann vor den Problemen die auf uns zukommen, oder ob nicht doch der Einsatz für eine offene Gesellschaft und für das Gemeinwohl in Zukunft alternativlos ist.

Als Autorin kann ich mit meinen Geschichten gegen das was ich für Missstände halte anschreiben. Ich werde getreu dem Motto meiner Deutschlehrerin weiterhin unbequem sein, denn: „Ich bin der Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt.“ 

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